Skoliose.

Eines dieser exotisch klingenden Wörter, deren Bedeutung man irgendwie erahnt, aber nicht wirklich kennt. Klingt „medizinisch“ und „ernst“, irgendwie nach einer „echt schlimmen Erkrankung“, assoziierten meine Bekannten. Ähnlich, aber noch wager wird es, wenn der Begriff Schroth- Therapie ins Spiel kommt, da denkt der ein oder andere doch, trotz orthographischer Unterschiede, schnell an die Fasanenjagd oder eine Fastenkur…

Eine “gerade Wirbelsäule” ist sehr selten. Völlig normal ist hingegen, dass jeder Mensch leichte Abweichungen von der Norm hat.

Aber was genau ist denn jetzt Skoliose? Und, was kann ich tun, wenn ich selbst, oder mein Kind diese Diagnose bekommen haben? Gibt es eine Therapie, und wenn ja, an wen wende ich mich? Dieser Blogartikel soll Ihre wichtigsten Fragen beantworten, und die Skoliose-Therapie in der Praxis Sporting Spine vorstellen.

Skoliose- was ist das denn nun?

Skoliose bezeichnet die Seitverbiegung der Wirbelsäule; dabei sind die betroffenen Wirbelsäulenabschnitte seitlich verschoben und gleichzeitig nach hinten rotiert, was wiederum die Länge und die Form des Rumpfes beeinflusst. Gemessen wird der Grad der Skoliose unter anderem mit dem sogenannten Cobb Winkel, welcher anhand eines 2D- oder 3D-Röntgenbildes der Wirbelsäule bestimmt wird. Ist dieser Winkel >10° und ist zusätzlich eine Rotationsstellung vorhanden stellt der Arzt die Diagnose Skoliose, <10° spricht man von einer skoliotischen Fehlhaltung, eine regelmäßige Kontrolle möglicher Veränderungen ist besonders wichtig. Skoliose verändert die Wirbelsäule dreidimensional und erfordert daher einen dreidimensionalen Therapieansatz. Dazu später mehr.

Es gibt mehrere Arten der Skoliose, hier beschreibe ich die mit einem Anteil von ca. 90% häufigste Skolioseform, die idiopathische Skoliose, genauer die adoleszente idiopathische Skoliose (AIS, zwischen 10-17 Jahre). Dieses komplizierte i-Wort heißt: Die Ursache der Skoliose ist nicht eindeutig zu benennen, vielmehr gibt es einen multifaktoriellen Ursachenpool. Wie es zu der asymmetrischen Entwicklung der Wirbelsäule kommen kann, wird z.B. durch genetische oder hormonelle Aspekte versucht zu erklären. Das heißt auch, niemand ist „schuld“ an der Entwicklung der Skoliose, man kann sie nicht präventiv behandeln, keine schwere Schultasche oder die „schlechte Haltung“ ist ursächlich.

Was entscheidend ist, ist das Management, sobald die Skoliose entdeckt wird. Jetzt gilt es die Progredienz, also ein Fortschreiten der Skoliose zu vermeiden. Wachstumsphasen sind ein kritischer Zeitraum, da sich hier die Wirbelsäule am meisten verändern kann. So gibt es einige Faktoren, die eine Progredienz eher begünstigen, zum Beispiel ein junges Alter bei der Diagnosestellung, starke Wachstumsphasen (<9cm/Jahr), bei Mädchen (übrigens viermal häufiger von der AIS betroffen als Jungen) der Zeitraum zwischen 1,5 -0,5 Jahre vor der Menarche oder ein Cobb Winkel >30°, um nur einige zu nennen. Obwohl zahlreiche prognostische Faktoren berücksichtigt und beobachtet werden sollen- mit Sicherheit voraussagen lässt sich die Entwicklung der Skoliose nicht.

Klingt so, als ob die Skoliose macht, was wie will?

Ja, vielleicht. Aber jetzt kommt die gute Nachricht: Hilflos ausgeliefert sind betroffene Jugendliche, junge Erwachsene, deren Eltern und Familien nicht, denn es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, wie die Skoliose aktiv und selbstbestimmt therapiert werden kann. Neben der Betreuung durch den behandelnden Arzt oder Ärztin, stehen PhysiotherapeutInnen in ambulanten Praxen oder spezifischen Rehakliniken, OrthopädietechnikerInnen, PsychologInnen und Angehörige den PatientInnen zur Seite, um zusammen mit ihnen die Behandlung zu planen, Fragen zu klären, Therapieziele aufzustellen und an der Erreichung dieser Ziele zu arbeiten.

Ziele? Was gibt es denn da zu erreichen?

Die SOSORT (The International Scientific Society on Scoliosis Orthopaedic and Rehabilitation Treatment) engagiert sich für die konservative, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Skoliose-Therapie und stellt Aufklärungsmaterial, Leitlinien und Behandlungsoptionen für Patienten mit Skoliose zur Verfügung. Ziele der SOSORT beziehen sich nicht nur auf die Wirbelsäulenform, sondern betrachten den betroffenen Menschen unter einem psychosozialen Ansatz, wobei die Lebensqualität im Vordergrund steht.

In ihren Leitlinien zur konservativen Skoliose- Therapie sind die wichtigsten Ziele formuliert: Wie bereits oben genannt, soll die Progression der Skoliose gestoppt oder sogar reduziert werden, mögliche Einschränkungen der Lungenfunktion und das Entstehen von Rückenschmerzen (vor allem im Erwachsenenalter) sollen verhindert (oder behandelt) werden und zuletzt genannt, doch äußerst wichtig: ästhetische Aspekte sollen durch Haltungskorrektur verbessert werden. Damit verbunden ist es seelisches Wohlbefinden zu fördern, die Lebensqualität zu erhöhen und Beeinträchtigungen des alltäglichen Lebens zu vermeiden.

Therapie der Skoliose- was MUSS aus Sicht der Wissenschaft?

Zur konservativen Therapie gehört das Beobachten des Verlaufs, gegebenenfalls das Tragen eines Korsetts (bei einem Cobb Winkel von >25° empfohlen, dies bestimmt der behandelnde Arzt oder Ärztin) und,  jetzt kommen wir ins Spiel, die skoliose-spezifische Physiotherapie. ExpertInnen der SOSORT sind sich nach der aktuellen Studienlage einig, dass die Skoliose-spezifische Physiotherapie Folgendes beinhalten muss:

Die dreidimensionale Autokorrektur , Training der Aktivitäten des alltäglichen Lebens, Stabilisieren der korrigierten Haltung und Patientenedukation.

Die Bezeichnung PSSE (Physiotherapy Scoliosis Specific Exercise) benutzt die SOSORT für alle „Skoliose-Schulen“, die sich den Prinzipien der SOSORT verschrieben haben.

In der Praxis Sporting Spine betreuen wir Skoliose PatientInnen mit einer davon, nämlich der „Dreidimensionalen Skoliose Therapie nach Katharina Schroth“, kurz die „Schroth- Therapie“.

Unter den PSSE Schulen ist die Schroth Therapie die am meisten untersuchte Behandlungsform. Der Nutzen (Verbesserung des Cobb Winkels und des Winkels der Rotation des Rumpfes , Verbesserung des Schmerzens und der Lebensqualität) von PSSE für Patienten mit idiopathischer Skoliose ist in zahlreichen Studien bewiesen worden. Zuletzt brachten mehrere Studien höchster Qualitätsstufe belastbare Beweise, dass PSSE sehr wohl positive Effekte in der Behandlung der Skoliose aufweist. Man ist sich momentan aus klinischer Sicht sicher, dass PSSE die Progression der Wirbelsäulenkrümmung stabilisieren, den Cobb Winkel signifikant reduzieren und außerdem Rückenasymmetrie, Muskuläre Dysbalancen und Schmerz reduzieren kann.

Uns ist es wichtig, Sie nach den Prinzipien der modernen Physiotherapie und unter Beachtung der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu versorgen.

Schroth-Therapie- was ist das und was machen wir in der Praxis Sporting Spine?

Katharina Schroth (1894-1985) litt selbst an einer Skoliose und  entwickelte 1920 mit den Prinzipien der aktiven 3D – Haltungskorrektur, Korrekturatmung und Korrektur der Körperwahrnehmung die Basis für die heute als Schroth Methode bekannte Behandlungsform. Diese Therapie befähigt die PatientInnen unserer Meinung nach ein eigenständiger, aktiv handelnder „Therapie-Experte“ ihrer Skoliose zu werden und selbstbestimmt mit der Diagnose umzugehen. Dies erachten wir in unserer Praxis auch in Bezug auf andere Erkrankungen als äußerst erstrebenswert.

Der Schroth- Therapie zugrunde liegt das bio-psycho-soziale Modell, welches neben den körperlichen Auswirkungen der veränderten Wirbelsäule auch den Einfluss anderer Faktoren aus der Lebens- und Gefühls- Umwelt des Patienten auf die Gesundheit mit einbezieht. Für uns in der modernen Physiotherapie unerlässliche Prinzipien.

Die Ziele der Schroth Therapie (und damit unsere) decken sich mit den Empfehlungen der SOSORT Leitlinien von 2016 und entsprechen somit dem aktuellen Wissenschaftsstand: Die Proaktive, dreidimensionale Wirbelsäulenkorrektur und das Haltungstraining, um eine Progression (und damit Operation) zu vermeiden oder zu verlangsamen, die Wissensvermittlung, das Einüben eines Hausaufgabenprogrammes zur reibungslosen Integrierung der Therapie in den Patientinnen Alltag, die Unterstützung des Prinzips „Hilfe zur Selbsthilfe“ und die Prävention und das Erlernen von Copingstrategien bei Schmerzen.

Was folgt daraus für den praktischen Ablauf in der Therapie?

Die PatientInnen lernen aktuelle Kenntnisse über den Pathomechanismus der Skoliose und erlangen  so ein tiefes Verständnis über das Krankheitsbild und wie dieses ihre Körperhaltung und Bewegungsmuster beeinflusst. Durch die sensomotorischen Schroth Übungen, die mit Atemmechanik, Muskelaktivierung und Mobilisation arbeiten, wird das Körpergefühl geschult, und Korrekturmöglichkeiten der Wirbelsäule für jede Alltagssituation erlernt.

Für die individuelle Therapieplanung wird die Wirbelsäulenkrümmung des Patienten in ein spezifisches funktionelles Muster eingeteilt, welches auf einem einfachen Körperblockmodell beruht. Dieses individuelle Skoliosemuster, lernen die PatientInnen nun kennen, verstehen und fühlen. Alle aktiven körperliche Übungen werden nun nach diesem Muster ausgeführt und ein individuelles Hausaufgabenprogramm entwickelt.

Weiterhin beinhaltet die Therapie in der Praxis Sporting Spine die Beratung zu Themen wie Korsettversorgung oder Sport, oder auch Informationen zur Reha in einer der beiden Asklepios Katharina- Schroth- Kliniken, Bad Sobernheim und Bad Salzungen, in denen wir auch die Schroth Therapeuten Ausbildung absolviert haben.

Und wie läuft das jetzt ab?

 Wenn Sie eine Verordnung von Ihrem Arzt oder Ärztin für sich oder Ihr Kind für die Krankengymnastik nach Schroth oder Krankengymnastik bei Vorhandensein einer Skoliose erhalten haben, eine Operation aufgrund einer Skoliose hinter sich haben, eine diagnostizierte Skoliose haben und jetzt im Erwachsenenalter Beschwerden entwickelt oder aktiv etwas für sich und Ihre Gesundheit tun wollen, oder sich einfach einmal zum Thema beraten lassen wollen, sind Sie bei uns genau richtig. Vereinbaren Sie gerne einen Termin bei unseren zertifizierten Schroth Therapeutinnen.

Wir besprechen in einem ausführlichen Befundtermin Ihre Ziele und nehmen uns Zeit für den körperlichen Befund. Danach planen wir nach den Prinzipien der Schroth Therapie und gegebenenfalls auch anderer Trainingstherapeutischer Aspekte (Zum Beispiel Training der Rumpfmuskulatur) Ihren individuellen Therapieplan.

Selbstverständlich können Eltern, falls erwünscht ihr Kind in die Therapie begleiten.

Unser Ziel ist es unsere PatientInnen selbständig und vor allem aktiv im Umgang mit ihrer Skoliose zu machen – sprechen Sie uns an!

Autorin:
Katrina Tausch BSc. Physiotherapeutin, Therapeutin für Skoliose nach Schroth

Quellen:

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Negrini, S., Donzelli, S., Aulisa, A.G., Czaprowski, D., Schreiber, S., de Mauroy, J.C., … Zaina, F. (2018). 2016 SOSORT guidelines: orthopaedic and rehabilitation treatment of idiopathic scoliosis during growth. Scoliosis and Spinal Disorders, 13 (3). doi: 10.1186/s13013-017-0145-8

Schreiber, S., Parent, E.C., Moez, E.K., Hedden, D.M., Hill, D.L., Moreau, M., … Southon, S. (2016). Schroth Physiotherapeutic Scoliosis-Specific Exercises Added to the Standard of Care Lead to Better Cobb Angle Outcomes in Adolescents with Idiopathic Scoliosis – an Assessor and Statistician Blinded Randomized Controlled Trial. PLoS ONE, 11 (12). doi:10.1371/journal.pone.0168746    

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