Das folgende Interview ist für mich persönlich ein ganz besonderes. Ich hatte die Möglichkeit den Trainer Dan Pfaff, derzeit Headcoach bei ALTIS zu interviewen. Alle Engagements von Dan Pfaff aufzulisten sprengt diesen Blogartikel, aber hier einige Facts zu ihm und für die, die noch nie etwas über ihn gehört haben.

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(courtesy of Dan A. Pfaff, used with permission)

Auszug aus der offiziellen Biographie:

Dan Pfaff ist ein international erfahrener und anerkannter Ausbilder / Trainer mit 45 Jahren Erfahrung im Leistungsport und Trainingsbereich. Er besitzt einen reichen Erfahrungsschatz als ehemaliger Direktor von internationalen Trainingszentren, Coachingprogrammen in  persönlicher Entwicklung, Division I Track and Field als Cheftrainer, sowie zahlreiche Assistententrainerengagements und Lehraufträgen. Er bietet langjährige Erfahrung als Dozent und Lehrplanentwickler für internationale, nationale, regionale, staatliche und kommunale Sport-Symposien und Hochschulen. Er ist hochqualifiziert mit nachgewiesenen Fähigkeiten im integrierten Teammanagement, Coaching und dem Support von Personal Trainern / im Mentoring und Community Relations. Er ist sehr aktiv in der Beratertätigkeit für eine Reihe von professionellen Sportteams weltweit, arbeitet mit Support-Mitarbeitern bei Sportteams und einzelnen Sportlern in verschiedenen Sportarten im In- und Ausland.

Seine grössten bisherigen Erfolge waren unter anderem:

Coach von Dreiundfünfzig Olympioniken (zehn Medaillengewinner), achtundfünfzig WM-Teilnehmer (elf Medaillengewinner) und fünf Weltrekordhalter.

57 Sportler mit nationalen Rekorden. Dazu gehören zwei Goldmedaillengewinner in den Paralympics und zwei Weltrekorde in den Paralympics.

Bei 10 Olympischen Sommerspielen als Trainer aktiv, bei fünf Olympischen Spielen (fünf Länder) und zehn Weltmeisterschaftswettwerben (sechs Länder) als Coach im Dienst.

Vorträge in siebenunddreißig Ländern

Ernennung zum Leitenden Autor für Coaching-Lehrplanerstellung sowohl für die Ausbildungsschulen der Vereinigten Staaten als auch für das NACAC Caribbean Basin Project. Leitender Ausbilder für jede Organisation an den Schulen der Stufen I, II und III.

Beratung von Spielern und Teams der NFL-, MLB-, NHL-, PGA-, Canadian Winter Olympic-Programme, WTA-, AFL- und europäischen Fußball-Ligen.

29 nationale NCAA-Nationalsieger und einhundertfünfzig All-Americans.

Leitender Angestellter in Teams, die siebzehn NCAA-Nationalmannschafts-Meisterschaften gewonnen haben (fünfzehn Frauen, zwei Männer).

INTERVIEW:

TN (Thomas Nickl): Hallo Dan. Ich möchte mich nochmals bei Dir bedanken, dass ich ein Interview mit Dir führen darf. Ich fühle mich sehr geehrt, dass Du die Zeit gefunden hast mir kurz auf meine Fragen zu antworten.

1. TN: Könntest Du kurz beschreiben, was Dein derzeitiges Aufgabengebiet ist und was jemand, der noch nie von Dan Pfaff gehört hat, sich vorstellen kann, wer Du bist?

Dan Pfaff: Ich arbeite derzeit als Berater in einer Vielzahl von Engagements weltweit. Ich mache strategische Audits von Hochleistungsteams in allen Sportarten und Bereichen der körperlichen Aktivität um das allgemein zu beschreiben. Ich arbeite mit zahlreichen Athleten und Teams im Bereich Geschwindigkeitstraining, Return to play – Projekten und an verschiedenen anderen schwierigen Problemlösungen bei Athleten im Hochleistungssportbereich.

2. TN: Ob Physiotherapeut oder Trainer, wir arbeiten alle mit Menschen zusammen, die uns wegen komplexer Probleme und Leistungseinschränkungen besuchen, um es allgemein zu beschreiben. Hast Du das Gefühl, dass alle Trainer und Gesundheitsdienstleister an einem Strang ziehen oder gibt es Dinge, die Dich gelegentlich stören?

Dan Pfaff: Ich denke, als Gesellschaft sind wir dem binären Denken, stammesartigen (Tribalismus) Verhalten, Siloartigen Denkmustern (ie. ggü. anderen Meinungen isolierte Einflüsse), wissenschaftlicher Bias, kurzsichtigem Denken und Reduktionismus ausgeliefert und zum Opfer gefallen und versuchen, die komplexen Probleme menschlicher Systeme mit linearen, reduktionistischen Schemata zu lösen. Auf der anderen Seite sehe ich Gruppen, die sehr gut auf einer Ebene zusammenarbeiten und die Fähigkeiten von Generalisten in vielen Bereichen fördern.

3. TN: Was sind Deiner Meinung nach die häufigsten Probleme, wenn es um Ärzte, Physiotherapeuten und Trainer geht, die eine Einheit in der Betreuung der Patienten bilden sollten?

Dan Pfaff: Ignoranz und Egoismus sind aus meiner Erfahrung zwei große Limitierungsfaktoren. Wie viele Ärzte / Trainer haben direkte persönliche Erfahrung in der Sportart, mit der sie arbeiten, oder verfügen über biomechanische Fachkenntnisse, ein grundlegendes Verständnis verschiedener sportwissenschaftlicher Disziplinen, Soft-Skill-Fähigkeiten, echte Begleitung- und Betreuungskapazitäten, pädagogische Fähigkeiten, Triage-gesteuerte Management-Methoden etc. ? Sind es wirklich viele…….?

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Dan Pfaff (courtesy of Dan A. Pfaff, used with permission)

4. TN: Aus meiner persönlichen Erfahrung der letzten Jahre vermisse ich sehr stark die Fähigkeit, kritisch zu denken, insbesondere bei jungen und neu ausgebildeten Therapeuten und Trainern. Hast Du einen Tipp, wie jemand aus Deiner Sicht kritisches Denken lernen kann?

Dan Pfaff: Wir sind oft zu bequem in Bezug auf Weiterbildung, kontinuierliche Nachbesprechungen, Diskussionsrunden mit Kollegen, vielfältigen und ungewohnten neuen Auseinandersetzungen mit sehr unterschiedlichen Herangehensweisen an Probleme. Wir verschliessen uns manchmal vor praktischen Praxiserfahrungen anderer, Problemlösungserfahrungen und Arbeitserfahrungen unserer Mentoren oder erfahrenerer Kollegen.

Wir sollten von uns selbst verstärkt Pflichten einfordern. Zum Beispiel:

• Analysieren. Trennen oder Brechen eines Ganzen in Teile, um deren Natur, Funktion und Beziehungen zueinander zu entdecken.
• Anwenden von Standards. …
• Effektive Auswahlverfahren. …
• Informationssuche. …
• Logisches Denken. …
• Vorhersagen und Prognostizieren. …
• Wissenstransfer. …

5. TN: Für viele Kollegen ist es sehr schwierig, bei allen aktuellen und aufkommenden Trends und offensichtlichen Allheilmittel einen Überblick zu behalten. Was würdest Du jemandem raten, der Dich frägt, wie er das Beste oder die Best Practice für einen Kunden oder Patienten anwendet, ohne auf zweifelhafte Methoden hereinzufallen?

Dan Pfaff: Eine sehr schwierige Frage heutzutage. Wie bereits erwähnt, würde ich empfehlen man sollte in verschiedenen Ebenen und Denkweisen suchen, Trends und Muster beleuchten und hinterfragen und bitte gebt die Idee auf, jemandem schnell helfen zu können bzw. den berühmten Quick-Fix zu vollziehen. Es ist in Wahrheit ein Management-Paradigma. Suche am Besten nach vielfältigen Mentoren in verschiedenen Bereichen, die Deine Leidenschaft beeinflussen. Suche nach langfristigen Ergebnissen mit unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Studiere und lerne die Basics, denn sie sind die Grundlage für aktuelle Therapie-Trends und Gurus. Sie werden auch dafür gut sein Deinen Bullshit-Detektor zu verbessern.

6. TN: In Deinen Artikeln und Vorträgen sprichst Du häufig über Key Performance Indicators (KPIs). Viele Kollegen haben noch nie davon gehört. Kannst du kurz ein paar Sätze darüber sagen, was sie sind und wie man sie sinnvoll verwendet?

Dan Pfaff: KPIs sind sich ständig ändernde, fluide, dynamische Punkte, um Faktoren zu identifizieren, die die Leistung fördern oder beeinflussen. Sie werden normalerweise in der Reihenfolge ihres Einflusses eingestuft und können sich bei Beherrschen der gewünschten Fähigkeit oder aber auch bei einer neuen Verletzung oder Komplikationen schnell ändern. Der erste Schritt besteht darin, Faktoren zu identifizieren, die die Leistung verbessern oder hemmen. Wir ordnen sie dann so an, dass die Kapazitäten und/oder der Zeitraum innerhalb einer Zeitspanne in einer bestimmten Konstellation berücksichtigt werden, d.h. für eine Woche, einen Tag, einen Monat, ein Jahr usw.

Grobe Kategorien für KPIs sind:

  • Technik
  • Physiologie / Genetikorientiert
  • Wellness
  • Lebensstil
  • Mental
  • Emotional
  • Soziale Faktoren
  • Sportwissenschaftlich geprägte Faktoren

7. TN: Euere Arbeit bei ALTIS ist eine Inspiration für Trainer und meiner Meinung nach auch für Physiotherapeuten. Ich habe in Euerem Foundation Course viel gelernt und kann das gelernte sehr gut anwenden. In Euerem neuen Performance Therapy Course möchtet Ihr insbesondere Physiotherapeuten erreichen. Was hat Euch dazu bewegt, den Kurs zu erstellen, und kannst Du kurz beschreiben, was ein Teilnehmer von diesem neuen Kurs erwarten kann?

Dan Pfaff: Wir sehen eine Lücke im konkret angewendeten Common-Sense-Management bei Sportverletzungen. Wir entwickelten den Kurs als:

“Einen fortlaufenden kollaborativen Prozess, an dem Sportler, Trainer und Therapeuten beteiligt sind und die gemeinsam daran arbeiten, die Funktion des Athleten zu normalisieren, indem sie therapeutische Eingriffe in die sportliche Bewegungspraxis des Athleten integrieren, was zu einer Leistungsverbesserung führt und die schlussendlich verbesserte technische Leistungsfähigkeit und eine Steigerung der mechanischen Effizienz bewirkt.”

8. TN: Mir gefällt besonders an Euerem Konzept, dass Ihr bei ALTIS kein Rezeptdenken oder vorgefertigte Anweisungen gebt. Dadurch werden Teilnehmer und interessierte Kollegen immer dazu ermutigt, durch ihr eigenes Engagement zu lernen und selbst Konzepte zu entwickeln. Hast Du bereits erlebt, dass einige Kollegen das nicht wollen, oder wurde das auch schon kritisiert?

Dan Pfaff: Ich denke, dass im Zeitalter des Internets sofortiger Zugang zu Informationsquellen besteht und ein gewisser Tribalismus offensichtlich wird, was sich stark bei Social-Media-Debatten oder Wortgefechten zeigt. Es wird sehr deutlich dass viele Menschen ein Plug-and-Play-Kochbuch für sofortige Ergebnisse wünschen. Es impliziert lineare Lösungen für einen komplexen Organismus und komplexe Probleme und meiner Erfahrung nach geht das nicht so einfach wie man denkt. Ein vertieftes Studium und der Aufbau diverser Mentoren- und Expertennetzwerke ist ein sehr langwieriger Prozess und nicht jedermanns Sache. Es ist das, was das “Großartige” vom “Guten”, meiner Meinung nach, unterscheidet.

9. Dan, Du bist seit über 40 Jahren als Trainer tätig. Was gibt Dir die Kraft, jeden Tag Deinen Job zu erledigen und was war Deine größte Motivation in den letzten Jahren?

Dan Pfaff: Ich war schon immer fasziniert von Bewegung und vor allem von hervorragender Ausführung von sportbezogenen Bewegungen, dem Unterrichten, den Interessierten Hilfe und Hoffnung zu bieten und schwierige Aufgaben zu lösen. Ich habe immer versucht, eine offene Art zu leben und Türöffner für Kollegen und interessierte zu sein, wo immer ich arbeitete. Egal bei welchen Engagements, waren mir stets Transparenz, Kritikfähigkeit, aber auch die Bereitschaft für Misserfolge vor Gleichgesinnten wichtig. Denn nur so lernen wir dazu und entwickeln wir uns wirklich weiter. Coaching ermöglicht es mir, all diese Aspekte zu erforschen, und die Beziehungen, Erfahrungen, Reisen, Kulturen usw. haben meine Lernkurve wirklich exponentiell beschleunigt. Engstirnige Einstellungen und kurzsichtige Denkweisen interessieren mich nicht. Engstirnige Konzepte, die damit werben „das ultimative Geheimnis haben“, verstecken normalerweise immer etwas ungutes.

10. Faszien sind heutzutage ein großes Thema. Gibt es Deiner Meinung nach so etwas wie Faszientraining? Was sind Deiner Meinung nach die größten Probleme, wenn es darum geht, Erkentnnisse aus der Faszienforschung in die therapeutische Arbeit umzusetzen?

Dan Pfaff: Meiner Meinung nach ein relativ junger Wissenschaftszweig, aber Leute wie Voyer in Frankreich, die Steccos in Italien, Schleip in Deutschland usw. bringen tatsächlich mehr und mehr Licht in das Dunkel in dem dieses einst als Müll für viele Chirurgen angesehene Gewebe wirklich ein entscheidender Faktor im Leben, für Bewegung und auch für den Sport sein könnte. Langsam wird auch deutlich welche Kräfte in diesem Gewebe herrschen, welchem Zweck sie zugeordnet werden können und welchen Einfluss Faszien auf Flüssigkeitsdynamik haben und vor allem wie diese Faktoren bisher in Sporttherapieeinrichtungen völlig ignoriert wurden. Die Materialeigenschaften von Kollagenstrukturen, die beteiligten Kommunikationssysteme, die Mechanotransduktion und die Beeinflussung dieser Faktoren sind wirklich die nächste Stufe in Sachen Erkundung und experimenteller Forschung. Meiner Erfahrung nach beeinflussen viele der Weichteilinterventionen, die wir in der Vergangenheit gelernt haben, nicht immer die Faszienmerkmale in der erhofften Art und Weise … … es scheint ein anderes Paradigma zu geben.

11. TN: Wenn Du nur kurz Zeit für ein Gespräch hättest, was würdest Du einem jungen Trainer oder Therapeuten mit auf den Weg geben wollen?

Dan Pfaff: Bleib neugierig. Lerne das Fehler-machen zu lieben! Mach Dir Deine Hände schmutzig. Vernetze Dich in allen möglichen Bereichen, die Deinen Beruf direkt und indirekt beeinflussen! Reise! Lerne, Fragen zu stellen. Entwickle Deine manuellen- und persönlichen Fähigkeiten. Entwickle Dein therapeutisches Auge und Deine Ohren. Höre zu um zu Verstehen! Verehre nicht blind den Altar der Wissenschaft. Vertraue immer wieder der Intuition von Sportlern, Trainern, Patienten und Dir selbst. Finde eine Kultur, die fördert und Herausforderung zugleich ist. Sei darauf vorbereitet, Dich jeden Tag zu beweisen, egal wie gut Du bist oder welche Ergebnisse Du erzielst. Bereite Dich darauf vor, einige Stationen mit schlechter Bezahlung oder in schlechter Umgebung in Kauf nehmen zu müssen, um zur nächsten und vielleicht irgendwann der besten Station zu gelangen. Lerne von allen Altersgruppen, Fähigkeiten und Einstellungen, … …um ein bisschen etwas zu nennen.

– VIELEN DANK, Dan Pfaff!

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