Beim Thema Lymphdrainage werden oft Bilder von sanften Massagen und entspannenden Wellness-Sitzungen aufgerufen. Aber wussten Sie, dass dieser Begriff tatsächlich ein bisschen irreführend ist? In Wirklichkeit beschreibt die „Lymphdrainage“ nur einen kleinen Teil eines umfassenden therapeutischen Ansatzes, der als „Komplexe Physikalische Entstauungstherapie“ (KPE) bezeichnet wird. Bei der KPE handelt es sich um eine multifaktorielle Therapie, die neben der Manuellen Lymphdrainage (MLD) auch die Kompressionstherapie, Hautpflege und spezifische Bewegungstherapie umfasst.

Das Wunder des menschlichen Lymphsystems

Um die Bedeutung und den Umfang der KPE wirklich zu verstehen, müssen wir zuerst ein tieferes Verständnis für das menschliche Lymphsystem entwickeln. Das Lymphsystem ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Immunsystems und spielt eine entscheidende Rolle für unsere allgemeine Gesundheit und unser Wohlbefinden.

Dieses Netzwerk besteht aus Lymphgefäßen und Lymphknoten, die im ganzen Körper verteilt sind. Sie transportieren eine Flüssigkeit namens Lymphe – eine klare, wässrige Flüssigkeit, die unter anderem Proteine, Abfallstoffe und Immunzellen enthält.

Über unser Blutkreislaufsystem werden pro Tag ca. 20l Blut arteriell in den Körper befördert und 18l über das venöse System zum Herzen zurücktransportiert. Die restlichen 2l werden ausschließlich über das Lymphsystem in den Blutkreislauf rückgeführt.

Die Lymphe wird zunächst in winzigen, bläschenartigen Strukturen, den so genannten Lymphkapillaren, gesammelt, die im Gewebe zwischen den Zellen liegen. Von dort aus fließt sie in immer größere Lymphgefäße und passiert auf ihrem Weg mehrere Lymphknoten. Diese Knoten dienen als Filterstationen, die schädliche Substanzen, wie Bakterien oder Krebszellen, entfernen und sind Orte, an denen wichtige Immunreaktionen stattfinden.

Der Prozess der Lymphdrainage und Kompressionstherapie

Nun, da wir ein Verständnis für das Lymphsystem und seine Funktionen haben, können wir uns besser vorstellen, wie die Manuelle Lymphdrainage und die Kompressionstherapie funktionieren.

Die MLD ist eine spezielle Massagetechnik, die darauf abzielt, den Fluss der Lymphe durch das Lymphsystem zu fördern. Durch sanfte, rhythmische, kreisende Bewegungen, die vom Therapeuten ausgeführt werden, wird die Lymphe angeregt, sich entlang ihrer natürlichen Bahnen zu bewegen und so dazu beizutragen, Schwellungen zu reduzieren und das allgemeine Wohlbefinden zu fördern.

Die Kompressionstherapie ergänzt und vervollständigt die MLD in der KPE und dient dazu, den Rückfluss der Lymphe in die tiefen Lymphbahnen zu fördern. Dies geschieht durch den Einsatz von Bandagen oder Kompressionskleidung. Im Rahmen der KPE können Kurzzug- oder Langzugbinden verwendet werden. Kurzzugbinden haben den Vorteil, dass sie relativ starr sind und einen hohen Arbeitsdruck erzeugen, was sie besonders geeignet für den Einsatz während der Bewegung macht. Langzugbinden sind elastischer und erzeugen einen konstanten Druck, sowohl in Ruhe als auch während der Bewegung.

Nach der Bandagierung wird oft ein Kompressionsstrumpf getragen. Dieser dient dazu, den während der Lymphdrainage und der Bandagierung erreichten Zustand der Entstauung aufrechtzuerhalten und zu unterstützen.

Die manuelle Lymphdrainage ist ohne Kompressionstherapie nahezu wirkungslos.

Wichtige Überlegungen und Kontraindikationen für die Lymphtherapie

Wie bei jeder medizinischen Behandlung gibt es auch bei der Lymphtherapie bestimmte Kontraindikationen und Risiken, die berücksichtigt werden müssen. Es ist wichtig zu beachten, dass bestimmte Zustände, wie kardiale Ödeme, periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) und Rechtsherzinsuffizienz, absolute Kontraindikationen für die Lymphtherapie darstellen.

Ein kardiales Ödem ist eine spezielle Form der Wasseransammlung im Gewebe, die durch eine Herzkrankheit verursacht wird. Sie tritt auf, wenn das Herz nicht mehr in der Lage ist, Blut effizient durch den Körper zu pumpen. Dadurch kann sich Flüssigkeit in verschiedenen Körperbereichen ansammeln, vor allem aber in den Beinen, Knöcheln und Füßen. Ein kardiales Ödem kann mehrere Symptome hervorrufen, darunter Schwellungen in den genannten Bereichen, eine schnelle Gewichtszunahme, Atemnot und eine generelle Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit.

Weibliche Fettzellen und das Phänomen Lipödeme

Im Laufe unseres Lebens werden wir oft mit Bildern von „perfekten“ Körpern konfrontiert, die makellose Haut und keinerlei Anzeichen von Zellulite aufweisen. Aber wussten Sie, dass es völlig normal ist, dass Frauen Zellulite haben?

Frauen haben eine spezielle Struktur der Fettzellen und des Bindegewebes, die das Auftreten von Zellulite begünstigt. Im Gegensatz zu Männern, bei denen die Fettzellen in kleineren, dichteren Kammern eingebettet sind, sind die Fettzellen bei Frauen in großen, voneinander getrennten Kammern untergebracht. Wenn sich Fett ansammelt, kann es sich zwischen diesen Kammern ausdehnen und die typischen Dellen und Beulen der „Orangenhaut“ hervorrufen.

Ein weiterer Aspekt, den wir hervorheben möchten, ist das Lipödem. Dies ist eine chronische Krankheit, bei der sich Fett ungleichmäßig in bestimmten Bereichen des Körpers ansammelt, oft in den Beinen und Armen. Während Zellulite eine normale und harmlose Erscheinung ist, ist das Lipödem eine ernsthafte medizinische Erkrankung, die Behandlung und Aufmerksamkeit erfordert.

Abschließend ist es wichtig zu betonen, dass die Komplexe Physikalische Entstauungstherapie eine wertvolle und effektive Behandlung für eine Reihe von Bedingungen darstellt, die das Lymphsystem betreffen. Wie bei jeder medizinischen Behandlung ist es wichtig, einen qualifizierten Anbieter zu finden und alle potenziellen Risiken und Vorteile sorgfältig abzuwägen.

Quellen:

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